Menschliche, sehr gesunde Neugier
Ausstellung: zwischen frage & antwort


Im (E-Mail)-Dialog mit Oliver Kremershof, Kurator der Ausstellung "Die Interview: zwischen frage & antwort" [sic!], stellt sich der Autor und Journalist François Maher Presley vom Stadtmagazin "Kultur in Hamburg" Fragen zum Thema der Ausstellung. Im Fragenstellen erkennt er die Normalität, den Kern für jegliche Fortentwicklung, persönlicher Art und der Evolution im Allgemeinen. 
 
Oliver Kremershof: Zunächst würde mich interessieren, welche Bedeutung Interviews in Ihrer täglichen Arbeit haben?
François Maher Presley: Nur sehr wenig Bedeutung, um nicht zu sagen keine. Die Zeit ist schnelllebig, der Arbeitsdruck sehr groß. Ein Interview bedarf einer gewissen zeitlichen Organisation, eines Treffens, einer Konzentration auf das lebendige Gegenüber und zudem sehr viel [sic!] Nachbearbeitung.
 
Weiterhin: Sehen Sie Unterschiede zwischen einem normalen Gespräch und einem Interview?
Es sind natürlich unterschiedliche Begrifflichkeiten.
Unter einem Interview verstehen wir weitläufig eine Art Frage- und Antwort-Spiel, ein den Gesprächspartner oder seine Ansichten zu einem bestimmten Thema oder gar seine Vita durch gezielte Fragen und entsprechend gezielte Antworten oder Umschreibungen oder gar verwirrende Antworten kennenzulernen, vielleicht ein Discovern [sic!] eines Kerns, in welcher Hinsicht auch immer.
Ein Gespräch ist oftmals weniger ein Fragen und Antworten, eher ein Austausch von Meinungen, z.B. zu einem oder mehreren Themen, die Feststellung von Unterschieden in Ansichten oder gar Gleichnissen, nicht unbedingt beschränkt auf Richtigkeit in der Sache, nicht nötigerweise auf gleichem Niveau stattfindend, nicht unbedingt ergebnisorientiert, oft eher mitteilend, oft eben auch aufzählend, unabhängig davon, ob es im gegenseitigen Interesse ist, diese Informationen, die ja nicht abgefordert werden müssen und werden, weiterzureichen usw..
 
OK: Haben Interviews einen speziellen Nutzen bei der Vermittlung kultureller Ereignisse und Orte - wenn ja, welchen?
FMP: Interviews wirken oftmals "ehrlicher", in jedem Fall persönlicher und authentischer, soweit die Gesprächspartner auf die Unwahrheit oder komplizierte und alles umfassende und damit sehr schwammige Formulierungen verzichten. Sie sind sicherlich bei Fernsehen und Radio von größerer Bedeutung als für die Presse, die sehr gut auch als Berichterstattung und Erläuterung der Sachverhalte funktioniert, was zudem vom Leser ja auch gewollt ist und erwartet werden dürfte, soweit er sich überhaupt für das Thema interessiert.
 
OK: Was ist die Frage hinter allen Fragen?
FMP: Menschen sind neugierig. Diese Neugier, eigentlich egal wie diese und auf welchem Niveau sie zum Ausdruck kommt, ist es, die die Evolution immer vorangetrieben hat. Unsere Entwicklung wird getrieben von dem Fragen nach dem Warum und Weswegen, nach dem Wie, Woher und Wohin. Den Unterschied zu eben dieser Entwicklung und damit auch die Bedeutung der Frage als solche und als Eigenart des menschlichen Charakters ist im Vergleich zu erkennen zwischen der sogenannten 1. Welt und der 3. Welt, wo oftmals Systeme vorherrschen oder Religionen, die Fragestellungen und deren Beantwortung oder den Versuch von deren Beantwortung eher unterdrücken oder indirekt sogar verbieten, indem anzunehmen gelehrt wird, niemals zu hinterfragen, ganz wider die menschliche Notwendigkeit, ganz im Gegensatz zu ihrem Charakter und ganz und gar entgegen jeglicher Entwicklung, eine weitverbreitete Form der Unterdrückung und Manifestation eines Machtgefüges, das zumeist zulasten der Massen geht. Fragen ist zuletzt der Beginn von Bildung. Bildung ist für Entwicklung, für Fortkommen und für ein selbstbestimmtes und "gutes" inhaltliches Leben nötig, oftmals aber nicht gewollt.
 
OK: Was ist zwischen Frage und Antwort?
FMP: Da ist eine gewollte, eine womöglich ungewollte, eine geplante Spannung, die sich durch die Antwort auflösen kann, soll, wird und in diesem Zwischenraum noch offen lässt, ob die Frage eine Bestätigung, eine Antwort, eine Klarheit, eine Verweigerung oder eine Verirrung als Reaktion erhält oder sich nachträglich sogar auflöst, unwichtig erscheint, gut gestellt, gut durchdacht ist etc.. 
Spannung.
Manchmal ist da aber auch die Befriedigung und der Stolz des Fragenden im Raum, der sich durch seine Form der Formulierung eine gewisse Bedeutungsschwangerschaft verleihen möchte oder gar durch die Länge der Pause bis zur Antwort einen Rückschluss auf den Schwierigkeitsgrad der Fragestellung und damit auf sein eigenes Können erhofft, und auf der Seite des Befragten kann die Pause und manchmal soll eine Pause und insbesondere eine langgezogene Pause auf seine eigene Nachdenklichkeit aufmerksam machen, der eigentlichen und noch folgenden sprachlich verfassten Antwort eine gewisse Tiefe vermitteln soll, eine gewisse Ehrlichkeit oder gar den Nimbus [sic!] der Richtigkeit. 
Da findet sich dann im Dazwischen Rhetorik.

OK: Abschließen möchte ich mein Interview mit der folgenden, vielleicht etwas abstrakten Frage: Läßt sich vielleicht auch eine Reise als eine Art Fragestellung verstehen?
FMP: Nur als eine solche, wenn man sich nicht dem primitiven Zeitvertreib in der Sonne am Strand, in der Diskothek oder einer Bar vergeht. Jede Ansicht eines Bildes ist der Beginn einer Reise durch eben dieses Werk, durch das wir mit den Augen des Malers die Welt neu entdecken können und erlernen, sie anders zu sehen, als bisher geschehen, nicht nur selbst Fragen zu stellen, nicht auf eine Antwort hoffen beim Betrachten, sondern womöglich auf Antworten stoßen, weil sich in der Frage auch immer die Antwort befindet, nicht nur sinnbildlich, sondern selbst in der Formulierung. 
Ich gehe noch weiter und verstehe den wiederkehrenden Alltag als eine Reise und damit als eine Fragestellung nach dem Sinn, dem Zweck, dem Weg selbst und dem Ziel. Denken ist zuletzt Reisen. Begegnungen sind Reisen. Gespräche, Blicke, sogar Ignoranz. Reisen, Fragestellungen, Antworten, bei vielen leider sehr viel dazwischen, dessen Längen zu dramatischer Lethargie führt. Mit den Sinnen nicht reisen und somit nicht fragen und keine Antworten erhoffen, suchen und finden oder bekommen ist ein schleichendes Sterben und wider die Entwicklung, die Evolution, die menschliche und sehr gesunde Neugier.
 
OK: Kurz und abschließend zu Ihrer Person:
Ihre Ideen und Realisierungen?
FMP: Die Idee war immer leben. Das konnte ich bisher immer realisieren.
 
OK: In Ihrer Zwischenzeit?
FMP: Kreative Zurückgezogenheit, kein Warten, kein Hoffen, nur Besinnung auf das Eigentliche.
 
OK: Haben Sie vielen Dank für das Interview!
FMP: Bitte.

Interview: zwischen frage & antwort
Xenia Lesniewski, Lisa Marei Klein, Franz Dittrich, Norman Hildebrandt, Janine Thürer, Smood & Cornsen
Kurator: Oliver Kremershof
Zu sehen in der Preisträgerausstellung des Jungkuratorenwettbewerbs von KunstLeben e.V.
16.06. Vernissage, bis zum 21.06.2010 Finissage Publikationsreleaseparty
in der kulturreich Galerie Hamburg, Wexstraße 28.
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